GCM – Aachen
Erfahrungen mit Selbstständigkeit und Autonomie
An unserem 4. Offenen Dialog – Abend stellen wir uns der Frage nach dem selbstbestimmten Leben. Die Chance unternehmerischer Selbstständigkeit scheint darin zu liegen, sein Leben weitgehend selbst zu bestimmen. Zumindest trifft das auf die wirtschaftliche Existenz zu. Uns interessiert es, mit Selbstständigen in den Dialog zu kommen, wie sie für sich persönlich die Chancen einschätzen, über ihren Lebensweg und die Selbstständigkeit zur Selbstbestimmung zu gelangen. Das interessiert uns sehr, da wir uns intensiv mit der emotionalen Seite der Familienunternehmen bzw. Unternehmerfamilien beschäftigen. Mittels einer Auswahl von Bildkarten eröffnen wir einen intuitiven Zugang zum Thema.
- Wie sehr sind unsere Lebens- und Berufswege durch Eltern und andere Vorfahren geprägt oder sogar bestimmt?
- Wie können wir uns von Vorbildern und Erwartungen lösen. um eigene Wege zu gehen?
- Wie können wir uns für eigene erfolgreiche Lebensentwürfe entscheiden?
Das sind einige der Fragen und Diskussionspunkte, die unsere Gäste für den gestrigen Abend mitgebracht haben. Diese Fragen sprechen sowohl die Selbstbestimmung an wie auch die dazu erforderliche Abgrenzung zu den Vorbildern und von den Erwartungen der Eltern. Zugleich bringen unsere Gäste viel Neugier mit, dem Thema gegenüber, auch auf die anderen Gäste und auf PHASEFÜNF. Es zeigt sich die Freude am Meinungsaustausch und der Wunsch, eigene Erfahrungen mitzuteilen und an denen der Anderen zu messen. (Über die mitgebrachten Blumen freuen wir uns übrigens ganz besonders. Vielen Dank!)
Die individuelle Entscheidung zur Selbstständigkeit kann offensichtlich ganz verschiedene Grundlagen haben. Es kann der Wunsch sein, sich zu beweisen, es kann der Wunsch sein, die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen und daher von Zuhause aus zu arbeiten. Es kann der Wunsch sein, sich neue Lernfelder zu eröffnen, oder der Wunsch, den elterlichen Erwartungen zu entsprechen. Gemeinsame Reisen mit dem Lebenspartner können ebenso ausschlaggebend sein, wie die Chance, sich den eigenen Arbeitsort recht frei wählen zu können.
Was auch immer die Beweggründe sind, die Diskussionsrunde ist sich in der Erfahrung einig, dass es Menschen sehr motiviert und ihre Energien freisetzt, wenn sie selbstbestimmt arbeiten können. Die äußeren Anforderungen passen dann gut mit der eigenen Innenwelt zusammen, was eine hohe Leistungsfähigkeit ermöglicht. So sind insbesondere Selbstständige trotz hohen zeitlichen und emotionalen Einsatzes oft sehr widerstandfähig gegen Krankheit und Burn-out.
Memento Mori
Dennoch, es gibt einen Punkt im Leben, an dem mit Blick auf die eigene Endlichkeit die Frage nach dem Lebensinn aufkommt. Memento Mori! Ein „Mehr vom Gleichen“ ist dann in aller Regel ein Weg in die Sackgasse. Hier gilt es dann für sich persönlich herauszufinden, ob die Lebensleiter bei genauer Betrachtung vielleicht doch zu einem Hamsterrad geworden ist. Selbstständigkeit als Lebensfluch?
Ein Segen sind Lebensentscheidungen, die ins persönliche Neuland führen. Sie bergen sowohl Chancen wie auch Risiken in sich. Doch gerade das Risiko des Scheiterns aktiviert alle Energien, setzt Kreativität und die Kräfte der Selbstbehauptung frei. So bekommt der Wunsch nach Entwicklung den nötigen Schwung, so wird die Ausweitung der eigenen Komfortzone möglich. Das können die Betroffenen selbst oft erst in der Rückschau als positive Erfahrung für sich verbuchen. In der Krise selbst darf, ja muss, der Mensch auch Ängste und innere Widerstände durchleben. Lernprozesse haben durchaus ihre Tücken. Nicht immer verlassen wir daher freiwillig unsere Komfortzone.
Wege aus der Komfortzone ins Lernen
Sind Widerstand und Abgrenzung negativ zu sehen? Auch diese Frage hat uns beschäftigt. Aus unserer PHASEFÜNF Sicht sind sie notwendig für alle psychologisch wirksamen Prozesse, also z.B. für jedes erfolgreiche Lernen. Das gilt auch dann, wenn Abgrenzung konflikthaft erlebt wird. Menschen scheuen sich in aller Regel, gewohnte Sichtweisen zu hinterfragen. Das rührt sofort an das Gefühl der Sicherheit. Wie sicher ist mein Weltbild, wenn ich feststellen muss, dass es neue Erkenntnisse gibt, insbesondere wenn es mein Wissen über mich selbst betrifft? Gleichwohl, Widerstand und Abgrenzen gegen äußere Bestimmung dienen dazu, sich als eigenständiges Wesen wahrzunehmen. Sie sind wichtige Voraussetzungen für die Ich-Findung, die Identitätsbildung. Wir erklären dies am Modell der Autonomieentwicklung von Vincent Lenhard.
Sehr spannend ist daher die Frage nach den eigenen nächsten Lernfeldern, also nach den Wegen, die hinausführen aus der Komfortzone.Durch ein Verlassen der Komfortzone wird ein Lernprozess in Gang gesetzt. Es stellt sich die Frage, „Wer werde ich sein, wenn ich mir alle meine Möglichkeiten erlaube?“ Wir haben uns hierzu alle sehr achtsam ausgetausch und werden nichts verraten. Die Zukunft wird es ans Licht bringen. Letztlich geht es darum, wie ein Jeder seine eigene Identität ausdrückt.
In der weiteren Diskussion wurden wir auf das schöne Gedicht aufmerksam gemacht, welches Charly Chaplin zu seinem 70ten Geburtstag ersonnen hat: „Als ich mich selbst zu lieben begann“
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